Köln: 08.–10.02.2025 #spogahorse

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Der spoga horse Ländercheck (4): Die Pferdebranche in Tschechien

Foto: Decado

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Die spoga horse ist die weltweit führende B2B-Messe für die Pferdebranche. Ein wesentlicher Pluspunkt für Besucher und Aussteller: Ihre Internationalität. Aussteller aus 33 Ländern und Besucher aus 72 Ländern nahmen an der spoga horse Herbst 2019 teil. Die Vernetzung von Geschäftspartnern über Ländergrenzen hinweg ist ein wichtiger Auftrag der spoga horse. Deswegen werfen wir in der neuen Serie „spoga horse Ländercheck“ einen genauen Blick auf die wichtigsten Absatzmärkte der spoga horse.

Hinweis: Es handelt sich um teilweise gekürzte Fassungen der ursprünglich im Fachmagazin „ReitsportBRANCHE“ erschienen Artikel von Sebastian Reichert. Wenn Sie Interesse an den vollständigen Publikationen haben, können Sie die die komplette Ländlercheck-Serie über info@reitsport-branche.com bestellen.

Politische und wirtschaftliche Fakten

Foto: Dorena Beckendorf

Foto: Dorena Beckendorf

„Auf den ersten Blick ist in Bezug auf Tschechien als Pferdesportland vieles vielleicht nicht so sichtbar, aber aus der Tschechischen Republik kommen wichtige Pferderassen, und es gibt wichtige Gestüte und zahlreiche historische Denkmäler, wie Reithallen und -ställe in Schlössern und auch Rennstrecken“, sagt Lenka Gotthardová, Vorsitzende des Verbandes für Kinský-Pferde, in Bezug auf ihr Heimatland als Reitsportnation. Die Tschechische Republik ist ein mitteleuropäischer Binnenstaat und neben der Slowakei einer der beiden Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei, die zwischen 1918 und 1992 bestand. Das Zehn-Millionen-Einwohner-Land setzt sich aus den historischen Ländern Böhmen und Mähren sowie Teilen von Schlesien zusammen. Nachbarländer sind Deutschland, Polen, die Slowakei und das (flächenmäßig etwas größere) Österreich. Als Königreich Böhmen war das Land bis 1918 Teil der Habsburgermonarchie.

Tschechien ist an seinen Rändern von Gebirgszügen umgeben – vom Böhmerwald, vom Erzgebirge, vom Riesengebirge (wo mit der Elbe einer der längsten Flüsse Europas entspringt), vom Schneegebirge, vom Altvatergebirge sowie von den Beskiden und den Weißen Karpaten. Der höchste Berg ist die Schneekoppe (1603 Meter) im Riesengebirge. Der größte Nationalpark – der Nationalpark Šumava (Böhmerwald) – grenzt an den bayrischen Wald in Deutschland und ist einer der artenreichsten Naturräume Mitteleuropas.

Der Reformator Jan Hus, der 1415 als Ketzer in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, gilt als Nationalheiliger. Die 1348 gegründete Karls-Universität in Prag, dessen Rektor Hus zeitweise war, ist die älteste Universität Mitteleuropas. Neben Prag (1,3 Millionen Einwohner) haben noch die Städte Brünn (407.000), Ostrau (289.000), Pilsen (172.000), Reichenberg (104.000) und Olmütz (102.000) mehr als 100.000 Einwohner. Nach formaler, institutioneller Religionszugehörigkeit gehören 71 Prozent keiner Religionsgemeinschaft an – der höchste Wert in Europa.

Foto: B. Boellinger

Foto: B. Boellinger

Seit 2004 ist die Tschechische Republik Mitglied der Europäischen Union. Währung ist die starke Tschechische Krone. Zwischen 2015 und Anfang 2020 legten die „Schweizer Franken“ Osteuropas um neun Prozent an Wert zu. 2018 wies Tschechien ein Bruttoinlandprodukts von 207,8 Milliarden Euro auf. Bemerkenswert dabei sind jedoch die starken Unterschiede zwischen den Regionen. Während die Region um die Hauptstadt Prag in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt eine der reichsten Regionen in Europa ist, wird beispielsweise in Mittelmähren nur etwa 60 Prozent des EU-Durchschnitts erreicht.

Die tschechische Wirtschaft ist stark vom internationalen Handel abhängig. Tschechien exportierte 2018 Güter im Wert von 171,5 Milliarden Euro und importierte Waren im Wert von 156,6 Milliarden Euro. Deutschland ist dabei mit weitem Abstand der wichtigste Partner. Die Bundesrepublik ist mit einem Einfuhranteil von 25,1 Prozent wichtigster Lieferant – vor China (14,1 Prozent) und dem Nachbarland Polen (7,6 Prozent) – und der wichtigste Abnehmer. 2018 gingen 32,4 Prozent aller Ausfuhren nach Deutschland. Es folgten die Slowakei (7,5 Prozent) und Polen (6,0 Prozent).

Bis zur Corona-Krise wuchs die Wirtschaft fünf Jahre hintereinander ohne Unterbrechung – vor allem in der Baubranche, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobil- und Elektroindustrie. Škoda – 1859 in Pilsen als Maschinenbau-Unternehmen gegründet und einst der größte Waffenproduzent Österreich-Ungarns – ist das größte Unternehmen im Land. Tschechien hat europaweit die niedrigste Arbeitslosenquote (Schnitt 2019: 2,0 Prozent), gefolgt von Deutschland und Polen (etwa drei Prozent). In Ballungs- und Wirtschaftszentren herrscht Vollbeschäftigung, zumindest in der Vor-Corona-Zeit.

In der außergewöhnlich großstrukturig organisierten Land- und Forstwirtschaft ist unter anderem die Hopfenproduktion wichtig. Böhmen mit seinen bekannten Marken Pilsner Urquell und Budweiser ist ein traditionelles Bierbrauerland. Bier ist Nationalgetränk. Nirgendwo wird mehr davon getrunken – 2018 waren es nach Angaben des Brauerverbands Brewers of Europe durchschnittlich 141 Liter pro Kopf. Vermutlich allgemein weniger bekannt ist, dass der Weinbau in Tschechien auf eine Tradition von 1000 Jahren zurückblicken kann. Südmähren ist dabei die bedeutendste Region. Dort wird zum Beispiel Grüner Veltliner angebaut.

Foto: Rita E.

Foto: Rita E.

Reitwesen und Turniersport in Tschechien

Wie hoch der Umsatz der Pferdeindustrie ist, kann nicht genau gesagt werden. Es gibt keine offiziellen Zahlen. Laut Schätzungen sind aber die Arbeitsplätze von etwa 20.000 Menschen direkt mit Pferden verknüpft. Viele weitere Personen erbringen Dienstleistungen in Verbindung mit Pferden – in der Ausbildung, in Schulen, bei Reitausrüstung- und Futtermittel-Herstellern. Etwa 200.000 Personen reiten, schätzt Pferde-Experte Josef Malinovský, der die Website www.jezdci.cz betreibt.

Zu den etwa knapp 100.000 Pferden im Land – von denen wohl schätzungsweise zwischen 20.000 und 30.000 für das reguläre Reiten zur Verfügung stehen – gehören übrigens auch einige Wildpferde. Seit 2015 betreiben nämlich Exmoor-Ponys ökologische Landschaftspflege auf dem früheren Truppenübungsplatz Milovice-Mlad. Aus zwei Herden mit insgesamt 30 Tieren wurden innerhalb von vier Jahren schon 70 Tiere.

Foto: Rebekka D.

Foto: Rebekka D.

Bis in die 1990er Jahre wurde in Prag (später in Podebrady) ein CSIO-Springreiten organisiert. Seit 2018 findet in der O2- Arena in Prag das „Super Grand Prix“-Finalturnier der Global Champions League statt. Zudem werden im Land unter anderem (weitere) internationale Turniere im Springreiten (in Olomouc, Martinice, Ptýrov, Zduchovice), in der Dressur sowie im Voltigieren (Brünn, Marienbad), im Vielseitigkeitsrennen (Pardubice, Humpolec) und im Gespannfahren (Kladruby, Nebanice, Písecné) veranstaltet.

Im Gegensatz zu den Nationalsportarten Fußball und Eishockey betreiben nur wenige Menschen Pferdesport. Das liegt auch daran, dass der Reitsport während der sozialistischen Ära zwischen 1948 und 1988 ein nicht erwünschter Sport war. „Unsere Reiter duften nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen – nicht einmal 1980 in Moskau“, sagt Lenka Gotthardová, die früher Direktorin des Nationalgestüts in Kladruby war und heute in Kladruby Bürgermeisterin ist. Nur einmal, ausnahmsweise, durften die Reiter aus Tschechien in dieser Zeit bei Olympia starten – 1960 in Rom. Die bislang einzige olympische Goldmedaille gewann der Springreiter František Ventura 1928 in Amsterdam für die Tschechoslowakei.

Foto: Guilaine

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Dabei haben Pferde in der Kultur der Menschen in Tschechien eine lange Tradition. So zählt beispielsweise der sogenannte Ritt der Könige in Mähren zum immateriellen Unesco-Kulturerbe. Dieser Umzug wird seit 1808 abgehalten – unter anderem in Vlcnov, in Kunovice, in Hluk und in Skoronice. Er geht wahrscheinlich auf Osterprozessionen zurück, bezieht sich der Legende nach aber auch auf die Flucht des ungarischen Königs Matthias Corvinus (in Frauenkleidern). Für die Rolle des Königs wird ein Junge zwischen 10 und 13 Jahren ausgewählt. Bei dem Ritt trägt er ortstypische Frauentracht. Eine weiße Papierblume steckt in seinem Mund. Begleitet wird der schweigende König von einem Gefolge von Jungen in bunten Trachten auf geschmückten Pferden, die bei der Prozession Spenden sammeln.

Legendär und vielleicht noch härter als die Nationalsportart Eishockey ist das international bedeutsame und alljährlich im Oktober im ostböhmischen Pardubice stattfindende Pferderennen. Erstmals wurde das Hindernisrennen Velká Pardubická 1874 veranstaltet. Das härteste Galopprennen auf dem europäischen Kontinent gilt als eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse Tschechiens. „20.000 bis 30.000 Zuschauer kommen – live ist alles noch beeindruckender als im Fernsehen“, sagt Lenka Gotthardová. Bis heute erreichten in keinem einzigen der bislang 128 Rennen alle Pferde das Ziel. 2017 kamen acht von 19 mit Reiter an. Mehr als 50 Pferde starben in den 128 Rennen bis 2018. Das Preisgeld betrug 2018 etwa 182.000 Euro. Von den 31 Hindernissen auf der 6900 Meter langen Strecke ist der Taxisgraben das gefürchtetste. Er darf nur einmal im Jahr gesprungen werden. Würden sich die Pferde an die 1,50 Meter hohe und 1,80 Meter tiefe Dornenhecke mit dem beim Absprung nicht sichtbaren vier Meter langen Graben dahinter erinnern, würden sie verweigern. „Viele Jahre lang reichten zwei Dinge, wenn du als Jockey dieses Rennen gewinnen wolltest“, schreibt der Journalist Marc Bädorf. „Erstens: Dein Pferd durfte während des Rennens nicht sterben. Zweitens: Du, als Jockey (...) solltest dich (…) irgendwie auf deinem Pferd ins Ziel schleppen.“

Pferdezucht in Tschechien

Foto: Pezibear

Foto: Pezibear

Einer der Gründer des Rennens war Oktavian Graf Kinsky. Nach dem Adeligen aus Böhmen wurde auch eine tschechische Pferderasse benannt – das Kinský-Pferd, eine der seltensten Pferderassen der Welt und vom Land Tschechien als erhaltenswertes Kulturgut anerkannt. Die intensiv golden glänzend Fellfarbe der Isabellen führte dabei einst zur Begründung als eigenständige Rasse. Der Jockey-Club in Wien hatte es abgelehnt, die isabellfarbene Stute Themby II in das Zuchtbuch für englische Vollblute einzutragen. Oktavian Graf Kinský gründete daraufhin ein eigenes Stutbuch. Nach erfolgreichen Zuchtjahrzehnten wurde die Adelsfamilie 1948 enteignet, und die Zucht ging fast gänzlich im Tschechischen Warmblut auf. Der Verband für Kinský-Pferde (SCHKK) gibt an, dass aktuell 300 Zuchtstuten und 15 Zuchthengste registriert sind. Zum Vergleich: Vom Tschechischen Warmblut gibt es etwa 20.000 Tiere.

Neben dem Kinský-Pferd gehört der Kladruber zu der wichtigsten ursprünglichen Pferderasse in Tschechien. Das Nationalgestüt Kladruby nad Labem in Ostböhmen war eines von ehemals acht österreichisch-ungarischen Staatsgestüten. 1579 durch Kaiser Rudolf II. von Habsburg zum Hofgestüt ernannt, zählt Kladruby nad Labem – seit 2019 Unesco-Weltkulturerbe – zu den ältesten Gestüten Europas. „Das Kladruber Pferd ist die älteste tschechische einheimische Pferderasse“, sagt Alena Dvoráková vom tschechischen Pferde-Zentralregister.

Das Altkladruber Pferd wurde wahrscheinlich als weltweit einzige Rasse für zeremonielle Zwecke gezüchtet. In schwarz und weiß – Schimmel für das Hofzeremoniell, Rappen für das kirchliche Zeremoniell. Heute hält Kladruby nad Labem, zu dem noch das Schlossgestüt Slatinany mit einem Kladruber- Museum gehört, ungefähr 500 Altkladruber Pferde – natürlich in zwei Farbvarianten: weiß und schwarz. Die Tiere dienen auch heute noch an königlichen Höfen. Die dänische Königin Margrethe II. benutzt zu feierlichen Fahrten nach Kopenhagen eine von einem Sechsspänner aus Schimmeln der Kladruber Zucht gezogene vergoldete Kutsche. In Schweden reiten auf Altkladruber Schimmeln die Trompeter der königlichen Reitergarde. In Tschechien sind die Altkladruber häufig bei Feiern auf der Prager Burg zu sehen. Auch die berittene Polizei benutzt sie.

Foto: Couleur

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Verbandsstruktur und Reitsporthandel

Dachverband aller tschechischen Pferdesportler ist der Česká Jezdecká Federace (CJF), der 1927 dem Weltverband FEI beitrat. Präsidentin ist Olga Plachá. Noch um 2010 hatte der CJF ungefähr 30.000 Mitglieder. Dann gab es eine Umstrukturierung, in deren Zuge für alle Mitglieder Beiträge obligatorisch wurden, auch für Mitglieder, die nicht an Wettbewerben teilnehmen. Ein Mitgliederrückgang war naturgemäß die Folge. Aktuell zählt der Reitsportverband nach Schätzungen von Insidern wohl etwa 19.000 Mitglieder. Etwa 3500 Personen sind Hobbyreiter ohne Lizenz. Wie fast überall ist der Reitsport auch in Tschechien ein vorwiegend weiblicher Sport. „In unserer Schule in Kladruby lernen etwa 100 Mädchen und zwei bis fünf Jungen“, verdeutlicht Bürgermeisterin und Pferdefachfrau Lenka Gotthardová.

Foto: Iatya Prunkova

Foto: Iatya Prunkova

Sie schätzt, dass es in Tschechien neben 24 Decathlon-Filialen etwa 200 spezielle Reitsportgeschäfte gibt, jezdci.cz-Betreiber Josef Malinovský geht von weniger Läden aus. „In Zeiten des Sozialismus gab es in Prag in der Nähe des Altstädter Ringes nur ein Reitsportgeschäft – das „Sedlárství Vojír“ in der Maiselova Ulice“, sagt Lenka Gotthardová, Vorsitzende des Verbandes für Kinský-Pferde. Anfang der 1990er Jahren öffneten dann die ersten weiteren Geschäfte.

„Equiservis“ im Nordosten von Prag ist heutzutage das größte Reitsportgeschäft in der Tschechischen Republik. Stanislav Hakr hatte 1993 als kleiner Verkäufer von Reitsportausrüstung begonnen. Mittlerweile gibt es noch zwei weitere „Equiservis“-Filialen in Land. Das Unternehmen beliefert zudem auch kleinere Reitsportläden im Land. Einige Geschäfte sind direkt mit den Herstellern von Satteln, Halftern und Trensen verbunden. Wenn auch die Anzahl der Geschäfte im Vergleich zu den Vorjahren etwa gleich geblieben ist, „steigt aber das Interesse der Menschen und neuer Reiter sehr schnell“, hat Josef Malinovský beobachtet.

Das sieht auch Katerina Anna Nohavová, Sprecherin des Rennens Velká Pardubická, so: „Die Popularität des Pferdesports wächst. Freizeitreiten ist in den vergangenen Jahren sehr populär geworden.“ Was Lenka Gotthardová bestätigt: „Das Interesse an Pferden und Reiten wächst. Viele Hersteller produzieren sehr interessante Produkte: Halfter, Sattel, Geschirr, Futter sowie beispielsweise im Fall von Petr Novák, Filip Minarík und Ivana Jurna-Lipska auch Kunst – sehr schöne Pferdestatuen und Pferdebilder.“

Foto: Denis Poltoradnev

Foto: Denis Poltoradnev